Wiedereingliederung für Arbeitnehmer nach einer Krebserkrankung

In diesem Beitrag haben wir zusammentragen was wichtig als Arbeitnehmer ist, wenn eine Krebsdiagnose gestellt wird und man die Berufstätigkeit wieder aufnehmen möchte.

(Lesedauer: 9 Minuten)

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Interview mit Jürgen Walther, Leiter des Kliniksozialdienstes NCT, Universitätsklinikum Heidelberg

Was ist wichtig beim Krankengeld?

Wenn man in einem Beschäftigungsverhältnis steht, läuft das Gehalt sechs Wochen weiter, wenn einzelvertraglich nichts anderes geregelt ist. (Dies ist die Entgeltfortzahlung für 6 Wochen).
Danach kommt das gesetzliche Krankengeld von der Krankenkasse. Dieses gibt es normalerweise per Gesetz 18 Monate für ein- und dieselbe Erkrankung.

Wenn das Krankengeld ausgelaufen ist, besteht die Möglichkeit (auch wenn man noch einen Job hat, auch wenn man noch erkrankt ist) gegebenenfalls Arbeitslosengeld in Anspruch zu nehmen um eben diese Übergangszeit zu überbrücken.
Es muss geklärt sein: Wo geht es hin? Kann man wieder arbeiten? Oder muss man möglicherweise in Richtung Rente denken? Das bedeutet, dass die ersten zwei bis zweieinhalb Jahre eigentlich durch die soziale Absicherung (durch Krankengeld und durch Arbeitslosengeld) gesichert sind, je nachdem was jemand verdient hat.

Man muss aufpassen: Wenn die Krankenkasse Hinweise erhält, dass die Erwerbsfähigkeit gefährdet sein kann (wegen schwerer Erkrankung), versucht diese prüfen zu lassen, ob man möglicherweise in Rente muss (Erwerbsminderungsrente, ehemals bekannt als Frührente). Falls die Krankenkasse eine Aufforderung zur Reha erzwingt, oder erzwingen möchte, sich vorher unbedingt sozialrechtlich beraten lassen! Andernfalls droht die Gefahr einer Erwerbsminderungsrente (was für Menschen, die nicht viel eingezahlt haben, sehr wenig sein kann!).

Also erst den Arbeitgeber informieren und mit der Krankenkasse ins Gespräch gehen. Wichtig ist, dass keine Lücken bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entstehen dürfen. Man braucht immer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder die klassische Krankmeldung – den gelben Zettel. Wenn hier Lücken entstehen, verliert man Ansprüche auf das Krankengeld.

Krankschreibungen

Wenn man freitags aus dem Krankenhaus kommt, kann man auch montags zum Arzt gehen. Unter Umständen ist es sinnvoll sich vom Krankenhausarzt eine Krankmeldung geben zu lassen. Das geht im Rahmen des Entlassmanagements. Es kann eine Krankmeldung für die nächsten Tage ausgestellt werden. Dann ist man auf der sicheren Seite, dass die Leistungen weiterlaufen.

Auf jeden Fall: Krankmeldung anfordern und keine Lücke entstehen lassen. Da ist die Rechtslage sehr klar: Wenn man sagt, dass man durch die Erkrankungssituation so gestresst war, dass man sich nicht darum kümmern konnte, hat das vor keinem Gericht Bestand. Dann ist man aus dem Krankengeld draußen!

Kontakt zu Arbeitgeber und Kollegen

Wenn Arbeit wichtig für jemanden ist und der Arbeitsplatz einem gut getan hat, sollte man versuchen die Kontakte zu halten. Signalisieren, dass man wiederkommen will. Teilweise kann man auch arbeiten, wenn man krank ist,  z. B. an einem Projekt mitwirken. Wenn man das möchte, sollte man sich aktiv darum kümmern um die Unsicherheiten, die die anderen wahrscheinlich haben werden, aus dem Weg zu räumen.

Das ist natürlich eine zusätzliche Herausforderung aber im eigenen Interesse hilfreich. Man hat nicht nur die Krankheit im Leben sondern auch andere, berufliche Themen. Auch für die Kollegen ist es ein wichtiges Signal, zu wissen, dass man noch da ist. Denn wenn man aufgrund der Therapie längere Zeit fehlt (ein halbes Jahr bis ein dreiviertel Jahr oder unter Umständen noch länger) werden im Alltag in der Regel Vertretungen angestellt. Wenn das gut läuft und man selber den Kontakt nicht hält, ist man relativ schnell in einer Außenseiterrolle.

Was passiert mit einem befristeten Arbeitsverhältnis, das in der Krankheitsphase ausläuft?

Ein zentraler Punkt ist die lückenlose Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, um auf der Versicherungsseite die Sicherung des Lebensunterhaltes auf eine solide Basis zu stellen. Wenn das Arbeitsverhältnis in der Phase der Erkrankung ausläuft, besteht der Anspruch auf Krankengeld weiter. Außer man macht den Fehler, sich die neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zu holen.

Man kann bei befristeten Verträgen auch nachfragen, ob eine Verlängerung über die Krankheitsphase hinweg möglich ist. Dazu muss man mit dem Arbeitgeber in Kontakt treten. Das gibt es in der Tat, dass Arbeitgeber auch dann eine Befristung verlängern, wenn jemand erkrankt ist.

Aber ansonsten ist es eher günstiger sich ums gesund werden zu kümmern um dann einen neuen Arbeitsplatz zu suchen.

Thema Wiedereingliederung

Die Krankheit ist überstanden und man hat evtl. eine Reha gemacht. Auf was müssen Beschäftigte achten, wenn es um die Wiedereingliederung geht? Auf wen kann man zugehen? Wer hilft?

Es gibt zwei Konstrukte: Die stufenweise berufliche Wiedereingliederung und das BEM, das berufliche Eingliederungsmanagement.

Wenn jemand länger als sechs Wochen im Jahr krank ist, wird von den Arbeitgebern das berufliche Eingliederungsmanagement ins Leben gerufen. Das wird oft von Arbeitnehmern als ein Sanktionsinstrument wahrgenommen, ist es aber eigentlich nicht. Es geht beim BEM darum zu klären warum jemand krank ist. Was sind Hindernisse am Arbeitsplatz? Was muss am Arbeitsplatz verbessert werden damit das Risiko wieder zu erkranken deutlich minimiert wird. Dies ist eigentlich ein Instrument im Sinne des Arbeitnehmers. Da sind der Betriebsrat oder der Personalrat involviert. Ansonsten kann man auch Berater dazu nehmen, Integrationsfachdienste, die über das Schwerbehindertenrecht eingeschaltet werden. Also ein sehr wichtiges Instrument, das eigentlich viel zu wenig in Anspruch genommen wird um den Rückkehrprozess an den Arbeitsplatz optimal zu gestalten.

Die stufenweise Wiedereingliederung kann man direkt nach einer Akutbehandlung oder einer Reha machen. Der Prozess ist einfach: Man steigert langsam die Zeit, die man wieder arbeitet. Man fängt beispielsweise mit 2-3 Stunden täglich an, geht dann nach 4-5 Wochen hoch, bis zu seiner ursprünglichen Arbeitszeit. Das ist ganz hilfreich um das eigene Leistungsvermögen wieder auszutesten.
Die Zeit der Wiedereingliederung kostet den Arbeitgeber nichts, weil das Krankengeld weiterläuft oder Leistungen von der Rentenversicherung, wenn man vorher eine Reha gemacht hat.

Die Empfehlung ist, in einem offenen Gespräch zu sagen: „Ich will zurück. Wie machen wir es?“
Der Eingliederungsvorschlag kommt entweder von den Ärzten oder man bringt den Vorschlag selber ein. Dem muss der Arbeitgeber zustimmen und dem stimmt dann der Leistungsträger, in dem einen Fall die Krankenkassen, in dem anderen Fall die Rentenversicherung zu.

Wichtig ist zu überlegen ob man die Arbeitsleistung wieder erbringen kann. Man kann die Eingliederung auch unterbrechen und dann gemeinsam noch einmal überlegen: Was schafft man, oder was wird zu viel?
Wenn man im Leistungsbezug (entweder Krankengeld, bzw. ALG1) ist und man merkt, dass es zu viel ist, dann muss man ab- oder unterbrechen und noch mal neu einsteigen. Es hängt davon ab wie viel Restleistungsansprüche noch da sind, gerade nach einem langen Behandlungsprozess. Wichtig ist, dass man ehrlich zu sich ist, ansonsten ist man offiziell wieder eingegliedert. Man muss wieder volle Leistung erbringen und merkt, dass das noch zu viel ist. Man sollte mit den Ärzten nochmal alle Möglichkeiten durchsprechen. Eine Reha ist unter Umständen auch dafür sinnvoll um ein realistisches Leistungsbild von sich selber zu bekommen.

Stichwort: Medizinische Reha, berufliche Reha.

Was ist wichtig, wenn man eine medizinische Reha hinter sich hat und merkt, dass man im Beruf nicht mehr zurechtkommt. Wie beantragt man eine berufliche Reha?

Es gibt grundsätzlich zwei Reha Optionen. Zuerst kommt die medizinische (onkologische) Reha in der körperlich wieder fit werden und Reflexion der psychosozialen Aspekte im Vordergrund stehen.

Als zweites gibt es eine berufliche Reha, z.B. Weiterbildung oder Umschulung.

Wenn sich in der medizinischen Reha schon rausstellt, dass es unter Umständen am ehemaligen Arbeitsplatz nicht mehr klappt, dann können schon aus der medizinischen Reha heraus eine berufliche Reha empfohlen werden.

Da gibt es eine ganz breite Palette: Von der Teilnahme an Kursen über Unterstützung am bisherigen Arbeitsplatz bis hin zu einer Umschulung. Man sollte alle Informationen holen um dann eine Entscheidung treffen zu können. Zuständige Ansprechpartner für diese Maßnahmen sind in der Regel die Rentenversicherungsträger.

Was ist wichtig bezüglich des Kündigungsschutzes, wenn man als Mitarbeiter krank ist und merkt, dass der Arbeitgeber einen loswerden will?

Generell gilt der gesetzliche Kündigungsschutz. Aber für jemanden mit einer Krebserkrankung besteht die Möglichkeit nach dem Schwerbehindertenrecht einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen. Mit der Feststellung der Schwerbehinderung, das heißt wenn der Grad der Behinderung 50 beträgt (bei Tumorerkrankungen in der Regel 50 oder höher) hat man einen erweiterten Kündigungsschutz. Das heißt aber nicht, dass man unkündbar ist! Aber der Arbeitgeber muss die Integrationsfachdienste, das Integrationsamt einschalten. Die Kündigung wird geprüft und je nachdem wie groß der Arbeitgeber ist, hat er unter Umständen die Pflicht, alternative Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Der Kündigungsschutz ist erweitert und die Kündigung ist erschwert aber es besteht keine Unkündbarkeit.

Der Hinweis ist nochmal ganz wichtig: Wenn man die Nachricht vom Integrationsfachdienst bekommt, dass Gespräche mit dem Arbeitgeber laufen, geht es in Richtung Kündigung.

Gibt es eine Möglichkeit von halbtags krank/halbtags arbeiten?

Was macht man, wenn man nicht die volle Leistung erbringen kann aber trotzdem weiterarbeiten möchte?

Wenn man die Stelle reduzieren möchte, hat das natürlich Auswirkungen, wenn man wieder erkrankt. Dann sind die Leistungsansprüche geringer. Das Krankengeld wird dann nur von einem halben oder vom dreiviertel Gehalt berechnet. Das merkt man sofort im Geldbeutel.

Bis klar ist wie sich das Leistungsvermögen entwickelt, wäre es gut, wenn man die Möglichkeit hat, über Resturlaub oder Überstunden oder über Zeitkonten, die Arbeitszeit etwas runterzufahren. Wenn das machbar ist, ist das sinnvoller als sofort die Stelle zu teilen wegen den Auswirkungen auf die mögliche spätere Sozialleistung (Krankengeld).

Die andere Alternative ist eine Berentung. Erwerbsminderungsrente kann es als Vollrente oder als Teilrente geben. Das kann man allerdings selber nicht so beantragen, wie man es gerne hätte. Die Sozialmediziner von der Rentenversicherung stellen fest, wie hoch das Leistungsvermögen noch ist. Aber Gestaltungsmöglichkeiten gibt es schon, auch über die Reha. Man teilt z. B. mit, dass man eigentlich eine Teilrente anstrebt, weil sich das Leistungsvermögen so verändert hat. Wenn man das erreicht, kann man eine Teilrente mit einer Teilbeschäftigung kombinieren. Das ist oftmals eine sehr gute Lösung im Einzelfall. Wichtig: In der Reha bitte kommunizieren: „Ich kann mir das alte Arbeitspensum momentan nicht mehr vorstellen.“

Das Stichwort Urlaub ist auch wichtig. Man hat meistens recht viel Resturlaub, wenn man eine Krankheitsphase hinter sich hat. Dieser bleibt erhalten. Da gibt es sowohl ein EuGH Urteil dazu, als auch ein Bundesarbeitsgerichtsurteil. Der Urlaubsanspruch bleibt, bis 15 Monate nach dem Zeitpunkt wo er entstanden ist, bestehen. Zumindest im Umfang des gesetzlichen Urlaubs, wenn auch nicht des tariflichen Urlaubs. Ein gutes Signal dem Arbeitgeber gegenüber ist es, zu sagen: „Ich mache einen Tag Urlaub die Woche, arbeite Montag und Dienstag und dann wieder Donnerstag und Freitag.“ So kann eine Eingliederung noch länger gestreckt werden außerhalb dieser drei Monate.

Und wie immer bitte rechtzeitig darum kümmern, wenn man merkt, dass man am alten Arbeitsplatz vermutlich nicht mehr zurechtkommt.

Wenn man nach unserem Recht der Krankenversicherung nicht halbtags krankgeschrieben werden kann, muss man eine andere Lösung finden. Klassisches Beispiel: Jemand, der eine Therapie bekommt (ambulant oder teilstationär) sagt, dass es ihm während der Tage der Therapie schlecht geht, er geschwächt und nicht leistungsfähig ist. Da bleibt er zu Hause. Zwei bis drei Tage später geht es einem wieder besser und man kann wieder arbeiten gehen. Wichtig zu wissen ist, dass das auch im Krankengeldbezug funktioniert. Da besteht bei den Patienten häufig eine große Unsicherheit.

Deshalb darauf achten, dass man seine Krankmeldungen immer über die Zeiträume bekommt, die man zur Regeneration braucht, um dann für die andere Zeit wieder gesundgeschrieben zu sein.

Und wir erleben es häufig, dass es sich für die Patienten lohnt, beruflich aktiv zu bleiben, ein bisschen Abwechslung zu haben. Auch da ist es wichtig sich mit dem Arbeitgeber abzusprechen. Oftmals sind auch die Arbeitgeber oder die Personalabteilungen verunsichert und denken, dass das nicht geht.

Also wieder die zwei Aspekte: Auf der einen Seite schauen, dass man sozialrechtlich auf der sicheren Seite ist und auf der anderen Seite durchaus Mut machen, Dinge auszuprobieren. Offenheit, wenn man merkt, dass man die Leistung nicht mehr bringen kann. Das muss man mit sich selber klären. Aber auch Hilfe in Anspruch nehmen und andere Einschätzungen einholen.

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