Alles zur Therapie des Multiplen Myeloms
Die Therapie des Multiplen Myeloms ist eine große Herausforderung. Es gibt viele unterschiedliche Therapien. Es gibt große Fortschritte in den Therapien. Darüber sprechen wir in diesem Video mit der Privatdozenten Frau Dr. Giesen. Sie ist Oberärztin am Robert-Bosch-Krankenhaus für Hämatologie und Onkologie.
Keine Lust zu lesen? Hier sind alternative Medien:
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Weitere InformationenKriterien für die Therapie des Multiplen Myeloms
Von den Vorläufererkrankungen zum therapiepflichtigen Myelom ist ein Kontinuum. Wenn Endorganschädigungen vorliegen, sollte man direkt mit der Therapie anfangen. Man orientiert sich an den CRAB-Kriterien: Niere, Blutbild, Blutsalze oder Knochen schlecht. Seit einigen Jahren werden zudem die biologischen Marker betrachtet, die uns sagen, dass der Schaden vor der Türe steht. Die biologischen Marker sind die SLiM CRAB Kriterien: Sehr viele Plasmazellen im Knochenmark, sehr gestörte Eiweiße im Blut oder Stellen im Kernspin, die aussehen, als könnte ein Knochenloch daraus erwachsen. Auch dann wird eine Therapie empfohlen. Mit dem Patienten wird besprochen, welche Therapie er gerne möchte bzw. was er sich vorstellen kann.
Die Erstlinientherapie
Erstlinie ist die erste Therapie, die durchgeführt wird. Das Multiple Myom ist leider im Regelfall nicht heilbar. Mit der Erstlinientherapie wird es unterdrückt, in eine sogenannte Remission (auf eine Sparflamme) gebracht, wo es keinen Schaden anrichtet und idealerweise über viele Jahre friedlich bleibt. Aber bei quasi allen Patienten kommt es irgendwann wieder und muss ein zweites Mal behandelt werden. Dann sprechen wir von einer Zweitlinientherapie, Drittlinientherapie, Viertlinientherapie, usw.
Da es viele verschiedene Medikamente gibt, können sehr viele Therapielinien gegeben werden, bei dem man die Hoffnung hat, dass damit das Myelom wieder unterdrückt werden kann.
Werden bei der Erstlinientherapie unterschiedliche Therapien gegeben?
Die Erstlinientherapie umfasst bei den jüngeren Patienten (jung heißt biologisches Alter von 70 bis 75 Jahre) mehrere Komponenten: Die Induktionstherapie – Behandlungen aus verschiedenen Substanzen, mit denen wir das Multiple Myelom erst mal stark unterdrücken wollen. Der Teil der Therapie findet typischerweise in der Ambulanz statt oder in der Tagesklinik. Der Patient ist zu Hause, kommt nur zum Therapietag in die Klinik oder zum niedergelassenen Onkologen und geht dann wieder.
Nach der Anfangsphase, die sich über mehrere Monate zieht, schließt sich eine Stammzellsammlung an (Sammlung von eigenen Stammzellen) und im Regelfall ein stationärer Aufenthalt mit einer Hochdosis-Chemotherapie. Danach werden die eigenen Stammzellen transplantiert, die sogenannte autologe Stammzelltransplantation. Das kann man bei den Hochrisikopatienten wiederholen.
Danach schließt sich eine Erhaltungstherapie an. Das sind Tabletten, die der Patient zu Hause einnimmt. In dem Zeitraum ist der Patient normal zu Hause aktiv, berufstätig im Alltag. All das fasst man als Erstlinientherapie zusammen; also sehr viele verschiedene Bausteine.
Wird eine Hochdosis-Therapie nur in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand des Patienten gegeben?
Die Hochdosis-Therapie ist der intensivste Teil der Erstlinientherapie, so dass diese Therapie typischerweise nur Patienten empfohlen wird, die dafür fit genug sind und biologisch jung genug. Wir schauen nicht unbedingt auf das kalendarische Alter, sondern auf das biologische Alter. Da ist die Schmerzgrenze etwa zwischen 70 und 75 Jahren. Bei den älteren Patienten sagt man, dass die Risiken und Nebenwirkungen der Therapie den Nutzen überwiegen, so dass man dann eher eine Erstlinientherapie ohne Hochdosis-Therapie wählt. Da gibt es auch sehr erfolgreiche Therapien, die nicht den intensiven Teil der Hochdosis-Therapie beinhalten.
Wer trifft diese Entscheidung? Arzt oder Patient?
Mittlerweile ist es zum Glück so, dass man das gemeinschaftlich entscheidet und nicht mehr wie vor 50 Jahren der Arzt vorschreibt, was der Patient alles schlucken soll.
Vor der Hochdosis-Therapie muss man keine Angst haben, aber man sollte Respekt davor haben. Denn es ist eine intensive Therapie, die auch mit potenziell sehr schweren Nebenwirkungen einhergehen kann. Mit den aktuell unterstützenden Maßnahmen, die wir haben, ist das aber gut überstehbar. Es ist ein absehbarer Zeitraum von wenigen Wochen, aber es ist eine intensive Therapie. Diese sollte man nur mit einem Patienten machen, der das auch will. Es ist keinem gedient, einen Patienten dazu zu überreden.
Nach Studiendaten wissen wir, dass die Zeit, in der man Ruhe hat bis die Erkrankung wiederkommt und wieder intensiv behandelt werden muss, deutlich länger ist als ohne Hochdosis-Therapie.
Ein Vorteil auf das Gesamtüberleben konnte allerdings bisher noch nicht überzeugend gezeigt werden. Es gibt also auch Argumente zu sagen: Ich möchte das nicht, das hat mir zu viele Nebenwirkungen. Medizinischerseits würden wir sie aber bei fitten Patienten immer primär empfehlen. Die Zeit, in der man Ruhe hat, ist viel länger und es hat zudem den Charme, dass es zwar intensiv ist, aber danach ist es vorbei. Es ist eine abgegrenzte Therapiephase.
Die empfohlene Alternative zur Hochdosis-Therapie ist eine Dauertherapie. Das ist zwar eine ambulante Therapie mit weniger Nebenwirkungen, aber sie dauert deutlich länger, fünf bis sieben Jahre am Stück, solange die Erkrankung anspricht. Man ist deutlich länger damit beschäftigt und bei jüngere Patienten ist die Hochdosis-Therapie geeigneter, da diese ungefähr ein Dreivierteljahr geht. Man kann in den Beruf zurück und muss nicht jede Woche zum Onkologen, um Infusionen zu bekommen.
Autologe Stammzelltransplantation
Bei der autologen Stammzelltransplantation werden die eigenen Zellen abgesammelt, zwischengelagert und zurückgegeben. Aber die eigenen Zellen sind doch die, die kaputt sind. Wie kann ich mit diesen Zellen eine Stammzelltransplantation machen?
Die Eigen-Stammzelltransplantation ist im Endeffekt ein Hilfsmittel, um die Hochdosis-Chemotherapie zu überstehen. Nicht zu vergleichen mit der Fremdstammzell- Transplantation.
Die Therapie bei der Eigen-Stammzelltransplantation ist die Hochdosis-Chemotherapie. Die ist so intensiv, dass sich das Knochenmark erst nach vielen Monaten erholen würde und man Gefahr läuft, an schweren Infektionen zu versterben. Deshalb holt man das Knochenmark, was durch die Hochdosis-Chemotherapie geschädigt werden würde, vorher im Rahmen einer Eigen-Stammzellspende raus. Das wird schockgefrostet und nach der Hochdosis-Chemotherapie wieder unbeschädigt zurückgegeben. Das wächst an, so dass der Patient nicht monatelang ohne Abwehrkräfte ist, sondern das Knochenmark nach zehn Tagen wieder ausreichend Blutbildung angeregt hat, dass der Patient wieder entlassen werden kann.
Woher weiß ich, ob das abgesammelte Knochenmark gesund ist?
Da können durchaus Myelom-Zellen enthalten sein. Es gibt kein sogenanntes Purging. Man sammelt zwar gezielt aus dem peripheren Blut ab aber da können durchaus auch Myelom-Zellen mit dabei sein, die man in der kleinen Menge wieder zurückgibt. Der Patient wird damit nicht geheilt, sondern das Myelom wird unterdrückt und man nimmt die einzelnen Zellen in Kauf. Die müssen nicht aber können drin sein.
Neue – nicht auf Zytostatika basierende – Therapien
Beim Multiplen Myelomen haben wir die konventionellen Zytostatika (klassische Chemotherapie) fast verlassen. Sie wird insbesondere bei der Hochdosis-Chemotherapie eingesetzt.
Es gibt drei wichtige Substanzklassen, bei denen es jeweils verschiedene Präparate gibt. Beim Multiplen Myelom kann man deshalb aus dem Vollen schöpfen.
Die Gruppe der Immunmodulatoren hört typischerweise auf „imit“ auf. Da gibt es verschiedene Tablettentherapien, die im Endeffekt toxisch sind, also giftig auf die Myelom-Zelle selbst, aber auch im Zusammenspiel mit dem Abwehrsystem wirken.
Dann gibt es die Proteasom-Inhibitoren, die hören alle auf „mib“ auf. Da gibt es auch verschiedene Substanzklassen, die man entweder als Infusion, Tablette oder Bauchspritze gibt. Die wirken auf den Eiweißstoffwechsel der Zellen.
Als drittes gibt es die Gruppe der monoklonalen Antikörper. Die Antikörper, die der Körper natürlicherweise bildet, richten sind gegen Bakterien, Viren, usw. Die monoklonalen Antikörper, die in der Krebstherapie eingesetzt werden, werden künstlich hergestellt, sind gentechnisch verändert. Die erkennen kein Bakterium, sondern die Oberflächeneiweiße auf den Krebszellen, in dem Fall auf den Myelom-Zellen und führen dazu, dass das Abwehrsystem hinzugezogen wird, die Myelom-Zellen erkennt und abtötet.
Es ist immer besser, mehrere Substanzklassen zu kombinieren. Durch alle Studien zieht sich durch, dass eine Kombination beispielsweise aus drei Substanzen besser ist als aus zwei Substanzen. Man greift die Krebszelle mit verschiedenen Ansatzpunkten an, der es dadurch umso schwerer fällt, dagegen resistent zu werden.
Das Gute ist: Diese Therapien sind fast alle ambulant durchführbar, also beim niedergelassenen Onkologen oder in der Tagesklinik. Die Patienten sind zu Hause und kommen nur zu einzelnen Therapietagen (ein oder zwei Tage die Woche) in die Klinik oder zum Onkologen.
Wie ist die Lebensqualität in dieser Zeit?
Das Multiple Myelom ist eine Erkrankung, die einen Zeit seines Lebens begleiten wird. Deshalb ist die Lebensqualität umso wichtiger. Denn man kann nicht sagen: Wir powern jetzt ein halbes Jahr durch, nehmen maximal viele Nebenwirkungen in Kauf und danach ist alles vorbei. Das sind viele Therapien, die man auf längere Sicht gibt, deshalb sollte die Lebensqualität im Auge behalten werden. Idealerweise sollen die Patienten normal im Alltag sein.
Nichtsdestotrotz haben die neuen Substanzen auch Nebenwirkungen, die man offen ansprechen muss. Man muss mit den Patienten Substanzen finden, die gut in ihr Leben passen, die von der Verträglichkeit für sie okay sind. Denn nicht jeder Patient entwickelt die Nebenwirkungen, die auftreten können. Die Infektgefahr ist eine Achillesferse beim Myelom-Patienten, denn das Myelom selbst macht einen bereits infektanfällig. Die Therapien machen das noch schlimmer.
Klassische Nebenwirkungen der Chemotherapie, wie beispielsweise Haarausfall, hat man typischerweise nicht. Aber spezifische Sachen, zum Beispiel Nervenschädigung, Kribbel- oder Taubheitsgefühle, können auftreten oder man kann bestimmte Virus Reaktivierungen haben. Gürtelrose kann unter bestimmten Therapien häufiger auftreten oder eine Thromboseneigung.
Wann nimmt man welches Medikament? Was macht man bei Unverträglichkeit gegen ein Medikament?
Es stehen viele Medikamente zur Auswahl. Aber wir sind auch an die Zulassung gebunden. Nicht jedes Medikament ist beispielsweis in der ersten Linie zugelassen. Manche sind erst zugelassen, wenn die Erkrankung wiederkommt.
Das Nebenwirkungsprofil ist anders. Manche sind zum Beispiel schlecht, wenn man ein krankes Herz hat. Dieses würde ein herzkranker Patient zum Beispiel nicht nehmen.
Die Gabeart ist unterschiedlich. Es gibt welche, die man über die Vene gibt. Es gibt welche als Bauchspritze oder als Tabletten, sodass auch das eine Rolle spielt. Wenn jemand voll berufstätig ist, kann derjenige nicht jede Woche zum Onkologen gehen. Für den Patienten ist möglicherweise eine Tablettentherapie günstiger, während andere Patienten froh sind, wenn alles in der Hand vom Onkologen ist und sie nicht selbst dran denken müssen, welche Tablette sie schlucken müssen. Solche sozialen Aspekte sollten mit in die Überlegung einbezogen werden.
Der Punkt der Wirksamkeit ist auch wesentlich. Auf welche Substanzklasse hat der Patient gut angesprochen oder nicht gut angesprochen? Das fließt in die Überlegung ein, welche Therapie als nächstes gegeben wird.
Kann man ein relativ normales Leben führen?
Es ist wichtig, dass die Patienten ein so normales Leben wie möglich führen. Nichtsdestotrotz wäre es falsch zu sagen, ein Myelom-Patient hat keine Einschränkungen. Die Infektgefahr muss berücksichtigt werden. Die Patienten sollen sich aber nicht zu Hause einsperren, sondern sollen die normalen sozialen Kontakte haben.
In Phasen, in denen man besonders abwehrgeschwächt ist, ist es aber sicherlich sinnvoll, sich nicht in große Menschenmengen zu stürzen. Beispielsweise frisch nach einer Stammzelltransplantation.
Man sollte seine Impfungen regelmäßig machen. Grippeschutzimpfung, Gürtelrose, Covid-Impfung… Wenn man sich vor Infekten schützen kann, sollte man dies tun. Es gibt zusätzlich bestimmte Schutzmedikamente gegen Infektionen, die die Patienten bekommen.
Der Aspekt Knochengesundheit ist wesentlich, denn manche Myelom-Patienten haben relevante Knochenlöcher, sodass der Knochen nicht mehr so stabil ist wie vorher. Wenn das ein Profifußballer war, würde man das beispielsweise nicht mehr empfehlen.
Es gibt Einschränkungen. Bestimmte Sportarten wie Skifahren oder alles, was axial staucht, kann kritisch sein. Bei manchen Patienten möglicherweise auch nicht. Es gibt Myelom-Patienten, da sieht der Knochen komplett fit aus. Das kommt auf den Patienten an, was man ihm im Alltag empfehlen würde und was nicht.
Gibt es Knochen verstärkende Substanzen?
Die Knochen sind ein wesentliches Organ beim Multiplen Myelom. Die können instabil sein, die Patienten können Schmerzen haben und wir haben zum Glück aber mehrere Möglichkeiten, um Knochen zu unterstützen.
Allgemein wird empfohlen (wenn keine Hyperkalzämie besteht – ein Zuviel an Kalzium) Kalzium und Vitamin D zu sich zu nehmen, wie auch ein Osteoporose Patient, um die Knochensubstanz zu stärken.
Zudem gibt es spezielle Knochenaufbauspritzen – Bisphosphonate – welche die Osteoklasten hemmen und dazu führen, dass der Knochen wieder verstärkt aufgebaut wird. Man hat sogar gesehen, dass Patienten mit Bisphosphonaten und Myelom leben länger als solche ohne Bisphosphonat. Diese wichtige Therapie gibt man im Regelfall einmal im Monat.
Wichtig: Die Bisphosphonate können den Kieferknochen schädigen, wenn man den Kieferknochen zusätzlich ärgert, z.B. wenn der Zahnarzt eine Wurzelbehandlung macht oder einen Zahn zieht. Deshalb wird empfohlen, dass die Patienten vor der Therapie zum Zahnarzt gehen, bevor man mit solchen Bisphosphonaten anfängt.
Da die Bisphosphonate eine lebenslange Therapie sind, kann es sein, dass doch irgendwann ein Zahn gezogen werden muss. Dann ist es für den Zahnarzt ganz wichtig zu wissen, dass man Bisphosphonate nimmt und idealerweise sollte man die Bisphosphonate einen Monat vor und drei Monate nach dem zahnärztlichen Eingriff pausieren. Der Zahnarzt sollte für den Eingriff ein Antibiotikum zum Schlucken rezeptieren. Das bezieht sich aber nur auf kiefernahe Eingriffe wie Wurzelbehandlungen oder Zähne ziehen. Wenn man dem Zahnarzt nicht Bescheid gibt, kann das zu einer Kieferosteonekrose führen. Das sind Abbauerscheinungen vom Kiefer, bei denen man aufpassen muss. Aber wenn der Zahnarzt Bescheid weiß, ist das Risiko gut managebar.
Wenn an einer konkreten Stelle Probleme auftauchen (z.B. eine Osteolyse), die entweder die Stabilität des Knochens gefährdet oder schmerzhaft ist, gibt es die Möglichkeit der örtlichen Bestrahlung, um Schmerzen zu nehmen und auch wieder zu einer Stabilität zu führen.
Zudem gibt es die Möglichkeit der Kyphoplastie im Bereich der Wirbelsäule. Hier füllt man ein Knochenloch mit Knochenzement auf. Es gibt auch operative Maßnahmen seitens der Orthopäden, wenn ein Knochen gebrochen ist, dass dieser entsprechend versorgt wird.
Wird das vom Onkologen organisiert?
Typischerweise ist es so, dass der Onkologe die Fäden in der Hand hält. Für solche Fragestellungen haben wir interdisziplinären Tumorboards mit Chirurgen, Strahlentherapeuten, Onkologen und Radiologen, die alle an einem Tisch sitzen und sich gemeinsam die Bilder anschauen und gemeinsam einen Therapieplan festlegen.
Wie erkennt man, ob die Therapie das erwünschte Ziel erreicht?
Die Eiweiße, die das Multiple Myelom bildet und die wir im Blut messen können sind ein hilfreicher Parameter, um zu schauen, ob der Patient auf die Therapie anspricht. Wenn er gut anspricht, geht das Eiweiß zurück. Idealerweise geht dieses krankhafte monoklonale Eiweiß so weit zurück, dass man es weder im Blut noch im Urin messen kann. Und dann kann man im nächsten Schritt ins Knochenmark schauen, ob man vermehrte Plasmazellen nachweisen kann.
Idealerweise erreicht man nach der Therapie den Zustand der Vollremission und hält diesen Zustand. Aber in den meisten Fällen kommt das Myelom wieder und auch das erkennt man an den Eiweißwerten. Myelom-Patienten wird deshalb empfohlen, vierteljährlich diese Werte bestimmen zu lassen. Wenn sie von einem niedrigen Niveau steigen, wird die Erkrankung wieder aktiv und man muss schauen, ob direkt mit einer Therapie angefangen werden muss oder ob noch beobachtet werden kann. In einer Bildgebung wird eventuell überprüft, ob sich was am Knochen tut. Blutbild und Niere wird ebenfalls angeschaut. Wenn Schädigung an den Organen droht oder die Eiweißwerte sehr schnell ansteigen, muss eine neue Therapie eingeleitet werden.
Dann schaut man, was der Patient davor bekommen hat. Ist er gerade sogar unter einer Therapie, die ihre Wirkung verloren hat? Wie stelle ich am besten die Therapie um, um das Myelom wieder zu unterdrücken? Und auch das messe ich wieder anhand der Eiweißwerte.
Ist ein Multipler Myelom Patient jemals therapiefrei? Gibt es Phasen ohne Therapie?
Das ist individuell unterschiedlich. Alle Studien sind mehr oder weniger als Dauertherapie angelegt und man geht davon aus, dass es gut ist, dass Myelom die ganze Zeit zu bearbeiten. Nichtsdestotrotz kommt man auch an den Punkt, dass der Patient sagt: Ich möchte jetzt eine Pause haben. Wenn man eine gute Remission erzielt hat, kann es durchaus sein, eine Pause unter Beobachtung zu machen und die Werte zu kontrollieren. Das geht oft über einen langen Zeitraum gut. Deshalb ist es wichtig, dass die Patienten mit ihren Ärzten/Onkologen sprechen, da es immer Varianten gibt, was man tun oder auch mal lassen kann für einen gewissen Zeitraum.
Als Arzt ist man immer dazu geneigt Therapie zu machen. Aber die Therapie hat kein Selbstzweck, sondern der Zweck der Therapie ist, dass es dem Patienten gut geht, dass er wieder voll im Leben steht. Und wenn die Therapie an manchen Stellen eher im Weg steht, machen wir eine Pause, wenn das von den Werten vertretbar ist.
Sind Zweit- oder Drittlinientherapien ähnlich wie die Erstlinientherapie?
Die können sich durchaus unterscheiden. Wir haben drei Hauptsubstanzgruppen: Antikörper, Proteasom-Inhibitoren, Immunmodulatoren, die man unterschiedlich zusammen würfeln kann.
Wir haben die Hochdosis-Therapie, die typischerweise in der Erstlinientherapie stattfindet, die man, wenn man davon profitiert hat, auch im Rezidiv wiederholen kann. Hochdosis-Therapie mit Eigentransplantation.
Dann gibt es in der ersten Zulassung neue Substanzen, Stichwort CAR-T-Zellen oder bispezifische Antikörper. Die haben einen anderen Ansatz und auch sehr beeindruckende Ansprechraten. Diese Therapien wirken alle über die Schiene, dass das Immunsystem die Krebszellen erkennen soll.
Bei den CAR-T-Zellen nimmt man entweder die eigenen T-Zellen (bestimmte Abwehrzellen des Patienten), programmiert sie gentechnisch so um, dass sie das Myelom erkennen, und gibt sie zurück. In Form der bispezifischen Antikörper werden die Antikörper auch künstlich gentechnisch hergestellt. Bispezifisch bedeutet, dass sie sich in zwei Richtungen wenden. In der einen Richtung an die Myelom-Zelle. An der Rückseite vom Antikörper ist ein Y-Stück, was die Abwehrzelle erkennt und das kettet gewaltsam Abwehrzellen an Myelom-Zellen, aktiviert die Abwehrzellen und führt dazu, dass sie die Myelom-Zellen abtöten. Das sind ganz beeindruckende Therapieergebnisse und Substanzen, die wir erst seit kurzem zur Verfügung haben und die uns ganz neue Möglichkeiten eröffnen.