Blutbildung & Stammzellen

Hier im zweiten Beitrag geht es um das Thema Blutbildung:

  • Wie und wo wird das Blut in unserem Körper gebildet?
  • Und was sind eigentlich »Stammzellen«?

Antworten auf diese Fragen sind wichtige Grundlagen, um die Leukämiekrankheit und deren Therapie zu verstehen.
(Lesedauer: 9 Minuten)

Und übrigens: Dieser Beitrag baut auf dem ersten Beitrag auf: Was ist Blut und wie funktioniert es?

Keine Lust zu lesen? Hier sind alternative Medien:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Podcast zu laden.

Podcast laden

Wenn wir uns von außen betrachten, erscheint unser Körper im Grunde recht konstant! Wenn wir zum Beispiel ein Foto von uns machen würden und dann 4 Monate später noch einmal ein zweites, dann würden wir darauf kaum einen Unterschied erkennen. Es sei denn, wir haben uns zwischendurch eine neue Frisur gegönnt oder einen sonnenintensiven Urlaub.

Tatsache ist aber, dass in diesen 4 Monaten fast alle unsere Blutkörperchen ausgetauscht wurden! Das heißt, die roten Blutkörperchen, die bei dem ersten Foto in unseren Adern unterwegs waren, sind jetzt alle weg, abgestorben und von der Milz abgebaut und nun fließen lauter neue Erythrozyten durch unseren Körper.

Die Blutkörperchen und ihr unterschiedliche »Lebensdauer«.

Denn wir erinnern uns: die roten Blutkörperchen haben nur eine Lebensdauer von ca. 120 Tagen. Die Thrombozyten sind in denselben vier Monaten schon ca. 6 Mal komplett ausgetauscht worden und bei den Leukozyten kann man es zwar nicht abschließend sagen, da es vom genauen Typus abhängt, aber auch hier wurde der allergrößte Teil schon mehrfach ersetzt.

Das System der Blutbildung: eine Hochleistungsfabrik!

Unser Blutbildungssystem ist insofern eine unglaubliche Hochleistungsfabrik! Pro Tag werden dort 200 Milliarden neue Blutzellen gebildet! Das sind mehr als 2 Millionen in jeder Sekunde! Der Austausch von Blutzellen funktioniert im gesunden Körper tadellos. Die Blutbildung ist so ausgewogen gesteuert, dass nur die Anzahl von Zellen neu gebildet wird, die tatsächlich ersetzt werden muss.

Wenn wir krank sind, z.B. eine Infektion haben, kann der Körper gezielt reagieren. Dann wird die Zahl der Immunzellen erhöht, und zwar so lange wie es nötig ist. Sobald wir wieder gesund sind, wird die Produktion gedrosselt.

Bei einer Leukämie ist das Gleichgewicht zwischen den neu gebildeten Blutkörperchen und den bereits abgebauten gestört, denn die Produktion von neuen Zellen übersteigt den Bedarf bei weitem. Aber dazu kommen wir später noch einmal.

Wo und wie bildet sich denn nun das Blut?

Die große Mehrzahl der Blutkörperchen wird im Knochenmark gebildet. Ein deutlich kleinerer Teil der Blutbildung passiert im Lymphsystem. Das Knochenmark ist ein schwammartiges Gewebe, das sich in den großen Knochen des Körpers befindet. Im Erwachsenenalter findet die Blutbildung vor allem in den Knochen der Wirbelsäule, Hüfte, Schulter, Rippen, im Brustbein und in den Schädelknochen statt.

Noch ein Hinweis: Das Knochenmark und das Rückenmark haben nichts gemeinsam auch wenn sie so ähnlich klingen! Im Rückenmark laufen die Nervenstränge von unserem Hirn bis in die Arme und Fingerspitzen, bzw, bis in die Beine und Zehenspitzen. Die haben mit der Blutentstehung nichts zu tun!

Falls Ihr Arzt Sie mal wieder mit Fremdwörtern beeindrucken möchte: der Prozess der Blutbildung wird als Hämatopoese bezeichnet. Das kommt aus dem Altgriechischen und zwar von den Worten Häma für Blut und Poesis für Erschaffung.

Die (Blut-) Stammzellen

Alle Blutzellen gehen aus den Blutstammzellen hervor, auf Altgriechisch dem Hämo-zyto-blast, dem Blut-Zellen-Stamm. Nur sagen wir auf Deutsch Blut-Stamm-Zellen.

Die Stammzellen haben wahre Superkräfte

Diese Blutstammzellen werden auch als pluripotent bezeichnet, da diese Zellen »mehr« bzw »viel« »können«. Damit unterscheiden sie sich von einer normalen Zelle, die nur eine Kopie von sich selber machen kann. Eine Blutstammzelle, eine pluripotente, also »Viel-Könner-Zelle« kann demgegenüber alle unterschiedlichen Blutkörperchen »machen«. Aus der Stammzelle entstehen in einem recht aufwändigen Prozess sowohl die roten, wie auch die weißen Blutkörperchen und ebenso die Thrombozyten.

Wenn ich hier nach einem Sinnbild suchen würde, käme mir an erster Stelle ein Teig der einfachsten Sorte in den Sinn. Das wäre dann nur Wasser und Mehl vermischt und dann ordentlich durchgeknetet! Dieser einfachste Teig ist dann unser Stammteig.

Von diesem aus können wir eine Vielzahl von unterschiedlichsten Broten, Brötchen, Fladenbrote, süße Teilchen, Cup-cakes und vieles mehr erstellen. Denn in unserer Welt der Backwaren gibt es zwei große Kategorien: die süßen und die salzigen Backwaren. In dem einen Fall wird dem Stamm-Teig Zucker hinzugefügt und in dem anderen Fall Salz.

Innerhalb dieser großen Kategorien Süß oder Salzig lässt sich dann eine Vielzahl von Backwaren herstellen, indem weitere Zutaten hinzugefügt und Formen gegeben werden. Auch die Backzeit variiert. Fertig ist die Backware erst, wenn die Zutaten und die Form stimmen und der Teig vollkommen durchgebacken ist, also von außen schön braun und knusprig, innen locker und fest. Alles andere, innen noch glitschig oder außen weiß, ist einfach nicht fertig und kann schlimmstenfalls Magenprobleme verursachen.

Der Blutbildungsprozess

Das trifft genauso auch auf die Blutzellen zu! Sie durchlaufen einen komplexen und aufwändigen Prozess von der Stammzelle bis zu einer bestimmten Sorte von fertiger Blutzelle. Genauso wie bei einem aufwändig gebackenen Kuchen ist es wichtig, dass jeder einzelne Schritt richtig durchlaufen wird! Sonst wird am Ende das Ergebnis nicht wie erwünscht sein. Bei den Blutzellen kann es dann auch wie beim Kuchen sein: entweder ist das Resultat noch irgendwie brauchbar, wenn auch nicht perfekt; oder das, was rauskommt, kann gar nicht als bestimmtes Blutkörperchen erkannt werden und funktioniert entsprechend auch nicht.

Eine Leukämie entsteht dann, wenn zum einen viel zu viele neue weiße Blutkörperchen erzeugt werden und zum anderen bei diesen der Entstehungsprozess nicht richtig bis zu Ende durchlaufen wurde, so dass anstelle von fertigen und funktionsfähigen Zellen unfertige oder kaputte Blutzellen in den Blutkreislauf kommen. Die Blutbildung gerät also aus dem Gleichgewicht und die Blutkörperchen können ihre Aufgabe nicht wahrnehmen.

Es wird zwischen myeloischen und lymphatischen Leukämien unterschieden. Die Unterscheidung bezieht sich auf den Ort, in dem die Blutbildung gestört wird. Somit noch einmal zurück zum Blutbildungsprozess! Hier werden im allerersten Schritt zwei große Zweige gebildet. Aus der Stammzelle gehen der myeloische Zweig und der lymphatische Zweig hervor. (Ähnlich wie süß und salzig!) Myeloisch heißt so viel wie »vom Knochenmark ausgehend«.

Myeloische Leukämien

Die Stammzelle sitzt ja ohnehin schon im Knochenmark, aber in diesem myeloischen Zweig finden auch alle weiteren Entwicklungsschritte bis zu den ausgereiften Blutkörperchen im Knochenmark statt. Aus diesem Zweig entstehen die roten Blutkörperchen, die Thrombozyten und zwei der Leukozyten, nämlich die Granulozyten und Monozyten, die zu unserem Immunsystem gehören. Erst wenn diese Blutkörperchen fertig sind, werden sie in die Blutbahn entlassen.

Lymphatische Leukämien

Lymphatisch bezieht sich demgegenüber auf unser Lymphsystem. Das Lymphsystem mit den Lymphgefäßen als Leitungsbahnen ist neben dem Blutkreislauf das wichtigste Transportsystem im menschlichen Körper. Es ist auf den Transport von Nähr- und Abfallstoffen spezialisiert und entsorgt in den Lymphknoten auch Krankheitserreger wie Bakterien und Fremdkörper.

Auch hier findet ein Teil des Blutentstehungsprozesses statt. Denn die pluripotenten, die Viel-Könner, Stammzellen bilden auch lymphatische Vorläuferzellen, die zu bestimmten Teilen die weitere Entwicklung nicht im Knochenmark, sondern in den lymphatischen Organen durchlaufen. Diese gehören zu den Leukozyten und daher zu unserem Immunsystem. Auch hier kann es passieren, dass die Entwicklungsschritte nicht richtig durchlaufen werden und entsprechend unfertige und nicht funktionsfähige Zellen zu einer Erkrankung führen.

Damit haben wir den Blutentstehungsprozess in seinen Grundzügen betrachtet und auch erste Hinweise erhalten, wie Fehlfunktionen in der Blutentstehung zu einer Leukämie führen können.

Jetzt sind Sie für das nächste Arztgespräch schon besser vorbereitet und kennen einige Wörter und Zusammenhänge. Setzen Sie Ihr Wissen ein und fragen Sie nach, wo Sie noch Klärungsbedarf haben!

Der nächste Beitrag erklärt, wie unser Immunsystem funktioniert. Und im Anschluss daran endlich verständlich, das kleine und das große Blutbild!

Quellen

Kompetenznetz Leukämie:
https://www.kompetenznetzleukaemie.de/content/patienten/leukaemien/blut_und_blutbildung/

Blutwert.net: https://www.blutwert.net/haematopoese/

Wikpiedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hämatopoese

Das Logo der Strube Stiftung

Ein Projekt der Strube Stiftung

© Strube Stiftung | 2024