Wie funktioniert eine Chemotherapie?
Teil 3: Chemotherapie bei Leukämie und Tumoren

Im dritten uns letzten Teil dieser Trilogie geht es um die Abläufe der Chemotherapie bei akuter und chronischer Leukämie. Ebenso wird ein kurzer Einblick zu den soliden Tumoren gegeben. Wichtige Fachbegriffe wie Remission, Rezidiv und Resistenzen werden erklärt.

(Lesedauer 8 Minuten)

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Wenn wir die Zielsetzung einer Chemotherapie etwas genauer anschauen, müssen wir zwischen Leukämien und soliden Tumoren unterscheiden:

Therapie akuter Leukämien

Bei den Leukämien ist die Chemotherapie immer sehr dominant im gesamten Therapieplan. Denn hier kann man ja leider die Krankheit nicht herausoperieren.

Schauen wir zunächst, wie es sich bei den akuten Leukämien verhält. Wer an einer akuten lymphatischen Leukämie (ALL) oder an einer akuten myeloischen Leukämie (AML) erkrankt ist, tut gut daran, sich für die Therapie an ein Comprehensive Cancer Center oder zertifiziertem Onkologischen Zentrum zu wenden.

Die Therapie akuter Leukämien erfolgt in mehreren Phasen. Begonnen wird mit einer Induktionstherapie. Gefolgt von einer Konsolidierungstherapie und im Fall einer ALL eventuell noch einer Erhaltungstherapie. Schauen wir uns das mal im Detail an!

Die Induktionstherapie

Die erste Chemotherapie, auch Induktionstherapie genannt, ist sehr intensiv. Induktion steht hier für „in Gang setzen“, oder eben auch „Ersttherapie“.

Sie besteht aus mehreren Zyklen, die sich über ein paar Wochen erstrecken. Sie hat das Ziel der kompletten Remission. Damit ist gemeint, dass die entarteten Blutzellen so effizient zerstört werden, dass die Blutwerte wieder im Normbereich sind und die akute Leukämie nicht mehr nachweisbar ist. Diesen Zustand nennt man Remission.

Remission zeigt dass die Blutwerte wieder im Normbereich sind

Die Induktionstherapie ist deswegen so intensiv, da man den entarteten Zellen keine Zeit geben möchte, Resistenzen gegen die Zytostatika zu entwickeln. Daher wird man während dieser Therapie einige Zeit stationär im Krankenhaus bleiben.

Es klingt natürlich sehr gut, sagen zu können, dass die akute Leukämie nach der Induktionstherapie nicht mehr messbar ist. Aber viele Jahre Erfahrung haben gezeigt, dass man hier nicht aufhören darf, weil sonst das Risiko einer Rückkehr der Krankheit viel zu hoch ist! Dieses Wiederauftreten der Erkrankung wird auch Rezidiv genannt.

Wir merken uns: Remission wollen wir haben, Rezidiv nicht!

Auf euner Schultafel steht geschrieben, dass Remission erwünscht ist aber Rezidiv nicht

Die Konsolidierungstherapie

Daher folgt als nächstes die Konsolidierungstherapie, die meist ca. ein halbes Jahr dauert. Mit Konsolidierung meint man in der Medizin entweder Heilung oder ein Nichtfortschreiten der Krankheit. Anders ausgedrückt: Festigung des Zustandes der Remission.

Zum einen ist das Ziel der Konsolidierungstherapie ähnlich wie das der Induktionstherapie, also weitere Reduktion einer möglichen Leukämielast. Zum anderen soll die Resistenzentwicklung vermieden werden. Man möchte vermeiden, dass sich die Krebszellen an die Zytostatika gewöhnen und diese daher mit der Zeit immer weniger wirken.

Also, wir wollen die Remission haben, die Resistenzen nicht und das aus den Resistenzen resultierende Rezidiv auch nicht!

Daher wird während der Konsolidierungstherapie mehrere Zyklen von einer Kombination von Zytostatika gegeben, die bisher in der Induktionstherapie noch nicht eingesetzt worden sind. Mit diesem Trick will man die Resistenzen vermeiden.

Infusion bei der Konsolidierungstherapie

Eine weitere Variante der Therapie nach Erreichen der Remission nach der Induktionstherapie oder erst im Verlauf der Konsolidierungstherapie ist die allogene Stammzelltransplantation. Unter allogene Stammzellen versteht man Stammzellen von einem verwandten oder unverwandten Spender stammen. Das Ziel der allogenen Stammzelltransplantation ist die endgültige Heilung der Leukämie. Da diese Therapie sehr aufwändig und komplex ist, haben wir dazu einen eigenen Film gedreht.

Die Erhaltungstherapie

Für Patienten, die keine Stammzelltransplantation erhalten können (hohes Alter, Begleiterkrankungen, fehlender Spender) folgt noch eine Erhaltungstherapie für ca. anderthalb bis zwei Jahre bei ALL. Eine Erhaltungstherapie über mehrere Jahre wird bei der AML heute nicht mehr durchgeführt.

Das Ziel der Erhaltungstherapie bei der ALL ist auch die letzte Leukämiezelle abzutöten und Remission dauerhaft zu machen. Die Therapie ist so gestaltet, dass die Lebensqualität klar im Fokus steht! Normalerweise können Sie während der Erhaltungstherapie Ihrem gewohnten Leben nachgehen.

Therapie chronischer Leukämien

Bei chronischen Leukämien hat man einen deutlich anderen Therapieverlauf. Das liegt unter anderem auch daran, dass chronische Leukämien meist erst in einem höheren Alter auftreten und die Therapieintensität darauf abgestimmt werden muss, wie z. B. bei der chronischen lymphatischen Leukämie. Da die chronische lymphatische Leukämie teilweise sehr langsam fortschreiten, kann es sein, dass zunächst gar keine Therapie eingesetzt wird. Es handelt sich um eine „Abwarten und Beobachten“ bezeichnete Strategie.

Abwarten und Beobachten Strategie. Man sieht hier Augen und Uhren

Ist das Blutbild aber schon stark verändert, werden auch hier Zytostatika und neuerdings auch chemotherapiefreie Protokolle eingesetzt, mit dem Ziel, die entarteten Blutzellen zu eliminieren. Das trifft sowohl für die chronische lymphatische als auch chronische myeloische Leukämie zu.

Diese Medikamente, haben einen ganz anderen Wirkmechanismus. Sie wirken teilweise ganz gezielt gegen die Blutkrebszellen, was den Vorteil von geringeren Nebenwirkungen hat.

Die Therapien der chronischen Leukämien verlaufen oftmals über viele Jahre hinweg. Ziel ist es aber auch hier bei einer stabilen Remission (anhaltende Heilung) die Therapie zu beenden. Die Therapien sind gut verträglich und können teilweise in der Form von Tabletten genommen werden, was die Lebensqualität deutlich erhöht. Bei jungen und fitten Menschen kann bei der chronischen myeloischen Leukämie eine allogene Stammzelltransplantation in Frage kommen, um bei schweren Verläufen eine Heilung zu erreichen.

Therapien bei soliden Tumoren

Bei soliden Tumoren soll die Chemotherapie den Tumor verkleinern und möglichst zum Verschwinden bringen. Krebszellen, die begonnen haben, sich im Körper zu verteilen und an fernen Stellen anzusiedeln, sollen ebenfalls abgetötet werden.

Adjuvante Therapie

Manchmal beginnt die Therapie damit, dass der Tumor als erstes herausoperiert wird. Dann wir im Anschluss eine sogenannte „adjuvante“ Chemotherapie eingesetzt. „Adjuvant“ heißt so viel wie „unterstützend“.

Adjuvante Therapie bedeudet unterstützende Therapie

Diese hat zum Ziel noch die letzten „unsichtbaren“ Krebszellen zu zerstören. Bildlich gesprochen: Wenn die Polizei-Razzia sehr effizient die versammelten Übeltäter im Hinterhof hochgenommen hat, dann braucht es noch mal besondere Polizisten, die auch im Keller nachschauen, ob sich dort einer der Bösewichte versteckt hat? Das ist der Job der Chemo: Überall nachschauen, ob sich noch eine Krebszelle irgendwo versteckt und diese dann ausschalten.

Neoadjuvante Therapie

In anderen Fällen würde man gerne operieren, aber das geht zunächst nicht, z.B. weil der Tumor zu groß ist und vielleicht dadurch zu nah an irgendwelchen Nervenbahnen, Arterien oder sonstigen wichtigen Teilen sitzt. Dann wird gerne eine sogenannte „neoadjuvante“ Chemotherapie eingesetzt. Diese soll helfen den Tumor zu verkleinern.

Neoadjuvante Therapie bedeutet, dass der Tumor verkleinert wird

Manchmal wird als weiteres Therapie-Element auch noch eine Bestrahlung eingesetzt. Wie diese genau wirkt, wollen wir in einer anderen Folge erklären.

Die beiden Therapien – adjuvant und neoadjuvant – sind zu den kurativen, also heilenden dazuzurechnen.

Diese Übersicht soll Ihnen nur einige Zusammenhänge erklären und einen groben Überblick geben. Wie IHRE Chemotherapie ganz konkret abläuft, das sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen! Lassen Sie sich alles erklären und fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Und vor allem verlieren Sie nicht gleich den Mut, wenn nicht alles sofort optimal läuft! In der modernen Onkologie gibt es immer noch eine Option B und eine Option C und, und…

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