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Alles zur Therapie einer chronischen lymphatischen Leukämie

Wie verläuft die Therapie einer chronisch lymphatischen Leukämie (CLL)? Wie ist die Lebensqualität? Darüber spricht Herr Professor Aulitzky, Chefarzt der Onkologie und Hämatologie am RBK, in diesem Video.

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Ist eine Therapie unbedingt notwendig?

Häufig ist eine Therapie nicht notwendig, und es ist ausreichend alle drei Monate das Blutbild zu kontrollieren, um zu überprüfen, ob eine Dynamik des Prozesses vorliegt.

Ist das nicht erschreckend für Patienten, wenn Sie hören, dass sie eine Leukämie haben und es gleichzeitig heißt: Es wird nur beobachtet?

Wenn die Patienten einen missverstehen, kann es erschreckend sein, weil Faktum ist, dass man die Therapie nicht deshalb unterlässt, weil keine Therapie möglich ist, sondern weil keine Therapie erforderlich ist.

In Studien wurde nachgewiesen, dass eine frühzeitige Intervention nicht besser hilft, als wenn diese Intervention so lange hinausgeschoben wird, bis sie aus medizinischen Gründen erkennbar notwendig wird. Daher ist es einfach ein Gewinn an freiem Leben, wenn man diese Therapie nicht zu früh durchführt.

Ab wann wird eine Behandlung notwendig?

Notwendig wird die Behandlung, wenn es sich abzeichnet, dass Organschäden entstehen. Beim Knochenmark, wenn das Blutbild schlecht wird, Menschen Symptome haben und wenn aus diesem Grund die Erkrankung beginnt die Lebensqualität zu beeinträchtigen, oder unter Umständen auch den Menschen zu gefährden.

Wie sehen die Therapien aus?

Die Therapien, die wir heute verwenden, sind ausschließlich chemotherapiefreie Protokolle. Zumindest in der ersten Behandlung sind Chemotherapien nicht mehr die wirksamste Form der Behandlung.

Die Therapien bestehen aus Medikamenten aus drei Substanzgruppen: Die erste Gruppe sind monoklonale Antikörper, (künstliche Abwehrstoffe), die spezifisch B-Lymphozyten attackieren und auch zum Zelltod bringen können.

Die zweite Gruppe sind Medikamente, die wichtige Signalwege von B-Lymphozyten zielgerichtet unterbrechen und damit diese Zellen am Wachstum hindern.

Und die dritte Gruppe sind Medikamente, die ohne den Zellstress der Chemotherapie direkt Wege aktivieren, die zum Zelltod dieser Lymphzellen führen.

Und diese Therapien sind außerordentlich wirksam, sind deutlich wirksamer als die bisherigen Chemotherapien und haben bewiesen, dass damit für die meisten Patienten sowohl eine Verschlechterung der Erkrankung über viele Jahre verhindert werden kann und dass dieses Ziel erreicht werden kann mit nur unwesentlicher Beeinträchtigung der Lebensqualität.

Wie heißen diese drei Wirkmechanismen?

Die Antikörper heißen immer etwas mit „mab“ am Schluss. Rituximab, Ofatumumab oder Obinutuzumap sind die Medikamente. „Mab“ ist der monoklonale Antikörper.

Das zelltodauslösende Medikament heißt Venetoclaxs. BTK-Inhibitoren gibt es inzwischen mehrere, die zugelassen sind, das ältere ist Ibrutinib und ein neueres heißt Acalabrutinib. „Ib“ ist der Inhibitor.

Wenn eine Therapie gut läuft und wenn sie durchschnittlich verträglich ist, können Menschen mit diesen Therapien ihr normales Leben führen.

Sind diese drei Therapien für alle Patienten zugänglich oder muss man einen gewissen Grundgesundheitszustand für diese Therapien mitbringen?

Die Medikamente haben natürlich Nebenwirkungen. Es gibt keine nebenwirkungsfreien Medikamente. Es sind aber unterschiedliche Nebenwirkungen, sodass man bei den meisten Begleiterkrankungen durch Wahl einer auf den Patienten abgestimmten Kombination diese Therapien auch bis ins hohe Alter durchführen kann. Es tritt nur ganz selten ein, dass bei CLL ein Patient für nicht behandlungsfähig gehalten wird, weil Begleiterkrankungen ihn so schwach machen, dass man es nicht zumutbar findet.

Hat der Patient die Möglichkeit Einfluss auf die Art der Therapie zu nehmen?

Patienten werden immer über Vor- und Nachteile der Therapie, über die verschiedenen Varianten deren Vor- und Nachteile und über die Empfehlung des Arztes informiert. Und Einfluss nehmen können sie immer. Wenn der Patient Nein sagt, heißt es Nein. Aber wenn ich meinem Arzt nicht trauen würde, würde ich wahrscheinlich den Arzt wechseln.

Trotzdem kommt es vor, dass ein Patient eine bestimmte Nebenwirkung als so bedrohlich empfindet, dass er diesen Weg nicht gehen will und einen nahezu gleichwertigen anderen Weg gehen möchte. Aber prinzipiell ist das eher selten und ich würde dem Patienten empfehlen, sich einfach sehr präzise über die verschiedenen Möglichkeiten informieren zu lassen.

Gibt es bei den „mab“- oder „nib“-Medikamenten Unterschiede, die bekömmlicher oder unbekömmlicher sind?

Das ist ein generelles Problem. Wir können individuell weder Wirkung vorhersagen noch Nebenwirkung. Daher haben wir Informationen, welches Medikament vorzuziehen ist, nur aus Behandlungsstudien großer Menschengruppen. Und aus diesen Studien wissen wir: Entweder ist es gleich, verschieden oder es unterscheiden sich bestimmte Nebenwirkungshäufigkeiten. Wir wissen nie genau, was für den Menschen das Beste ist, sondern können nur die Daten aus den Gruppen nutzen, um Menschen zu beraten.

Aber meistens sind die Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Therapien entweder so groß, dass es wirklich zu empfehlen ist, ein Medikament vorzuziehen, oder sie sind so klein, dass es keine große Rolle spielt, welchen Versuch man macht. Daher ist es schwierig, eine hoch individualisierte Empfehlung abzugeben. Wir geben meistens Empfehlungen ab, die wir aus Gruppen-Erfahrungen ableiten, nicht die auf den Einzelnen in kompletter Weise abgestimmt sind.

Die Therapien laufen über sehr lange Zeiträume. Können Resistenzen entstehen oder für welche werden von Risikogruppen gesprochen?

Hochrisiko, mittleres Risiko, niedriges Risiko. Es können Resistenzen entstehen und jede Resistenz ist immer ein unerfreuliches Ereignis, weil es letztlich beweist, dass sich die Erkrankung in ihrer Natur etwas verändert hat, und alle bösartigen Erkrankungen verändern sich normalerweise nicht zum Besseren, sondern eher zum Bedrohlicheren. Und daher wird man immer versuchen, bei einer Resistenz mit einer alternativen Therapie wieder eine gute Rückbildung zu erzeugen.

Resistenzen muss man allerdings unterscheiden: Wenn eine Verschlechterung nach dem Ende der Therapie mit einem gewissen Abstand auftritt, ist das nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer Resistenz auf die vorhergehende Therapie. Hier kann man unter Umständen das Gleiche nochmal versuchen und damit wieder eine Rückbildung erreichen.

Muss ich dauerhaft Medikamente nehmen oder gibt es ein definiertes Ende der Therapie?

Bei den Antikörpertherapien und bei Venetoclax gibt es ein definiertes Ende. Bei Ibrutinib gibt es kein definiertes Ende, aber es gibt eine Behandlungsdauer, bei der man irgendwann sagt: Jetzt braucht der Mensch eine Pause oder es beginnen sich durch die Abwehrschwäche Infektionen zu häufen. Es gibt ein durch Ereignisse begünstigtes Ende. Aber weil CLL-Patienten so lange leben, ist es bei fast jedem Patienten irgendwann begründet, die Therapie zu beenden.

Gibt es bei Resistenzen alternative Medikamente?

BTK-Inhibitoren und Venetoclax kann man sequenziell einsetzen. Resistenz gegen eines der Medikamente bedeutet nicht Resistenz gegen das andere Medikament. Wenn ein Patient gegen beide dieser modernen Medikamente resistent geworden ist, wird die Behandlungsmöglichkeit schwieriger. Dann würden auch heute noch eventuell Chemotherapien in Erwägung gezogen. Hier ist die größte Hoffnung, dass neue Entwicklungen wie Car-T-Zellen oder ähnliches dieses Bild deutlich verändern werden.

Heute wäre das bei einem jungen Menschen unter Umständen ein Grund zu sagen: Diese Erkrankung wird gefährlich bleiben, wir müssen sie heilen und dann über eine Stammzell-Transplantation, diesen Versuch zur Heilung dem Patienten zu empfehlen.

Wie ist die Lebensqualität bei Einnahme dieser NIB-MAB-CLAX-Medikamente?

Wenn die Verträglichkeit gut ist, sind die meisten Nebenwirkungen nicht allzu gravierend. Bei allen Therapien ist Abwehrschwäche ein anhaltendes Problem, weil man mit diesen Medikamenten das Immunsystem quasi mitbehandelt. Sie verursachen alle eine Schwäche der Infektabwehr. Daher können Infektionen immer bedrohlicher sein.

Aber von den Aktivitäten, die im Leben Vergnügen bereiten, kann man alles machen, was einem Spaß macht und was nicht so ungesund ist. Man kann Menschen treffen, ein Glas Wein trinken, man soll Sport treiben und man kann durchaus auch berufstätig sein. Wenn man sich kräftig genug fühlt, spricht nichts dagegen.

Was kann ich selbst tun, um die Prognose zu verbessern?

Ein Punkt ist fit bleiben. Wenn ich bei einer Erkrankung aus Sorge vor der Erkrankung alle körperlichen Aktivitäten unterlasse, beschädige ich mich und würde auch jede Komplikation der Therapie und der Erkrankung schlechter überstehen. Das heißt: Fit bleiben, Sport treiben, sich vernünftig ernähren. All diese Dinge spielen für erkrankte Menschen eine genauso große Rolle wie für gesunde Menschen.

Die Erkrankung selbst durch Veränderung der Lebensweise zu beeinflussen ist nach unserem Wissen nicht möglich. Sie können nicht ein bestimmtes Nahrungsmittel verwenden oder weglassen und damit die Zukunft wesentlich beeinflussen. Zumindest kennen wir keine solchen Maßnahmen. Daher ist meine Empfehlung: Gesund leben und den Rest der Aktivitäten mehr auf die Lebensfreude fokussieren als auf die Erkrankung.

Wie wichtig ist das regelmäßige und exakte Einnehmen der Medikamente über diesen langen Zeitraum?

Es sind Medikamente, die hochwirksam sind. D. h. Überdosierungen sind sehr gefährlich, weil Sie Nebenwirkungen haben können, die auch lebensbedrohend sind. Daher ist der erste Punkt: Man darf bei Tablettentherapien nie vergessen, dass sich der Patient selbst dosiert. Er muss zweifelsfrei verstehen, was ihm empfohlen wurde und darf keine Missverständnisse zulassen.

Zum zweiten ist es so, dass es Therapien gibt, die anfällig auf Unterdosierung sind. In diese Gruppe gehören die CLL-Therapien nicht. Wenn ich einmal in zehn Tagen eine Tablette vergesse, ist der Therapieerfolg dadurch nicht gefährdet.

Bei anderen Erkrankungen (z. B. bei der CML) muss man die Therapietreue auf über 80% halten, um ein optimales Ergebnis zu bekommen. Also insofern braucht man nicht panisch sein, aber man muss sich schon im Klaren sein, dass man „sein eigener Chemotherapeut“ ist und damit verantwortlich dafür ist, dass die Medikamente präzise (nicht zu viel und nicht zu wenig) eingenommen werden und dass man rechtzeitig auftretende Nebenwirkungen mit seinem Arzt bespricht.

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