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Alles zur Therapie von aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen

Über den Ablauf einer Therapie eines aggressiven Non-Hodgkin-Lymphoms spricht Herr Professor Aulitzky in diesem Film. Wie wird die Therapie aufgesetzt? Wie wirkt sie? Welche Nebenwirkungen treten auf? Und wie geht es einem als Patienten dabei?

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Wo sollte man die Therapie eines aggressiven Non-Hodgkin-Lymphoms machen?

Die normalen Therapien, die wir bei dieser Erkrankung einsetzen, sind Therapien, die wir seit 30 Jahren kennen. Daher kann man davon ausgehen, dass die Kollegen, die diese Therapien durchführen, Erfahrung damit haben und korrekt für Sicherheit und ausreichend intensive Durchführung sorgen.

Daher ist das eine Erkrankung, bei der Patienten auch im niedergelassenen Bereich erfolgreich behandelt werden können. Unabhängig davon ist es immer notwendig, dass alle Behandler mit Zentren, die über ausreichend pathologische und diagnostische Einrichtungen verfügen, verbunden sind. Insofern ist hier eine flächendeckende Versorgung gut möglich und das ist angesichts der relativen Häufigkeit dieser Erkrankung auch sinnvoll.

Ist es wichtig, an Studien teilzunehmen? Gibt es überhaupt Studien, nachdem die Medikamente seit 30 Jahren bekannt sind?

Es gibt Studien. Es gibt eine große deutsche Lymphom-Studiengruppe, die diese Studien organisiert. Und wir hoffen, dass durch diese Studien der mangelnde Fortschritt der letzten 20 Jahre überwunden wird, was nicht leicht ist. Aus zwei Gründen: Erstens, weil wir schon ziemlich gut sind. Wir können den überwiegenden Teil der Menschen heilen und daher ist der Unterschied klein, den wir bei Verbesserungskonzeptionen suchen. Zweitens haben die letzten Studien meistens nicht den Erfolg gebracht, den wir uns gewünscht haben. Aber es gibt neue Ideen und von denen man durchaus hoffen darf, dass es an diesen Erfahrungen etwas ändert und dass die Entwicklung positiv werden wird.

Wie ist der Ablauf der Therapie und welche Nebenwirkungen treten auf?

Wir orientieren uns an den diffus großzelligen B-Lymphomen, da diese in den meisten Fällen quantitativ herausstechen.

Die Basis der Therapie ist ein Schema, das sich R-CHOP nennt. Das sind Buchstaben, die für Substanzen stehen. Das lässt sich nicht leicht entschlüsseln, da die Namen zum Teil 40 Jahre alt sind und nicht mehr so existieren. R ist Rituximap. Das ist ein monoklonaler Antikörper, der sich gegen ein Molekül richtet, das CD20 heißt und der verwendet wird, um das Immunsystem an CD20-positive Zellen zu locken. Er löst aber auch direkt eine Antwort in den B-Lymphozyten aus, indem er sie empfänglicher macht für Signale wie Chemotherapie, die ihrerseits die Zellen töten. Daher ist das eine Substanz, die allein nicht sehr wirksam ist, aber im Kontext mit der Chemotherapie die Heilungsraten um fast 20% verbessert.

CHOP sind dann die Chemotherapeutika. C ist noch leicht, das ist Cyclophosphamid, H heißt Adriamycin, und O heißt Vincristin und P ist wieder leicht, heißt Prednisolon. Das ist eine Infusionsserie, die man an einem Tag gibt. Außer P, das ist Cortison, das man fünf Tage lang einnimmt. Und dieses Schema wiederholt man entweder alle 14 Tage oder alle drei Wochen. Beides ist möglich. In bestimmten Situationen scheint der 14 Tage-Rhythmus effektiver zu sein, ohne dass die Nebenwirkungen dadurch steigen. Und es hat den Vorteil, dass man schneller fertig ist.

In Situationen, in denen wir das Rückfall-Risiko hoch einschätzen, kann eine zusätzliche Substanz gegeben werden. Diese heißt Etoposid, dann nennt sich das Schema R-CHOEP. Das scheint bei fortgeschrittenen Stadien, Hochrisikokonstellationen junger Menschen, die Heilungsrate etwas zu steigern. Dieses Schema dauert drei Tage.

Die gefährdendste Nebenwirkung, die dieses Schema hat, ist die Abwehrschwäche. Die ist ca. eine Woche nach der Therapie am stärksten. Das ist die Phase, bei der man bei Fieber sofort nach dem Blutbild schauen muss. Wenn das Blutbild schlecht ist, muss man Antibiotika einnehmen unabhängig von der Frage, ob man sich wohlfühlt oder nicht. Daneben haben diese Therapien auch weitere Nebenwirkungen: Sie schwächen und führen zu einer Reduktion der aeroben Kapazität (sportliche Leistungsfähigkeit). Die Patienten können nicht so lange und mit ähnlicher Intensität sportlich aktiv sein wie vor der Chemotherapie.

Alle diese Nebenwirkungen sind reversibel, führen also nur zur vorübergehenden Schwächung der Patienten, so dass man sich zwar während der Therapie deutlich geschwächt fühlt, aber nach der Therapie wieder den alten Zustand erreichen wird.

Weil wir dieses Schema sehr gut kennen und wissen, auf welche Schwachpunkte wir beim Patienten Rücksicht nehmen müssen, ist auch die Verträglichkeit üblicherweise ordentlich. Man fühlt sich erheblich geschwächt, aber es sind keine sehr leidvollen Zustände, die durch die Therapie verursacht werden.

Wird bei frühem, mittlerem oder fortgeschrittenem Stadium immer das gleiche Schema über längere Dauer angewendet?

Erstens muss man etwas relativieren, was frühes und spätes Stadium heißt. Es würde implizieren, dass sich bei rechtzeitiger Diagnose jede Krankheit in einem frühen Stadium befinden würde. Das stimmt nicht. Meistens präsentieren sich die Erkrankungen in dem Stadium, in dem sie sind. Es ist beim überwiegenden Teil der Patienten nicht ein zeitlicher Begriff, aber wenig ausgebreitete Stadien lassen sich leichter heilen, als sehr ausgebreitete Stadien und das Stadium EINS ohne Risikofaktoren benötigt nur vier solcher Zyklen und Therapien, während die fortgeschrittenen Stadien 6 bis 8 solche Zyklen benötigen.

Ein Zyklus dauert zwischen zwei und drei Wochen. Man hat eine Behandlungsdauer von minimal vier mal zwei Wochen bis maximal acht mal drei Wochen, also ungefähr ein halbes Jahr.

Wie geht es einem in den zwei oder drei Wochen zwischen den Schema-Gaben? Was kann man in dieser Zeit machen?

Wenn keine Komplikationen auftreten, kann man aktiv sein. Die erste Woche ist meistens die „klapprigste“, die zweite geht halbwegs, die dritte ist wieder gut und dann geht das Verfahren von vorne los. Das ist so eine Wellenbewegung des allgemeinen Befindens. Aber es ist durchaus möglich, in diesen Zeiten Aktivitäten durchzuführen.

Bei den meisten Menschen reicht der Aktivitätsgrad nicht dazu aus, dass sie voll berufstätig bleiben, und daher gehen die meisten Patienten in den Krankenstand in dieser Phase. Und das ist eine Erleichterung und auch sinnvoll, aber das heißt nicht, dass man nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen oder auch freudvollere Aktivitäten wahrzunehmen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem Rezidiv?

Bei jüngeren Leuten ist heute bei Rezidiven noch Standard, Chemotherapie zu wiederholen, unter Einschluss einer Stammzelltransplantation und autologen Stammzell-Supports.

Das ändert sich, weil gerade eine Studie publiziert wurde, die besagt, dass Patienten, die relativ frühzeitig ein Rezidiv haben, mit sogenannten CAR-T-Zellen besser behandelbar sind. Car-T-Zellen sind Patientenzellen, die man nimmt und genetisch modifiziert. Man baut einen künstlichen Andock-Mechanismus ein, so dass diese Zellen dann direkt an das Lymphom binden und durch die Nähe und das aktiviert werden, direkt mit Zellmechanismen die Tumorzellen töten.

Wie muss ich mir das vorstellen? Es wird Blut abgenommen, es kommt irgendwohin, es wird etwas damit gemacht, und dann wird es sozusagen wieder zurückgegeben?

Korrekt, das dauert vier Wochen. Das Blut kommt entweder in die USA, nach Leiden (NL) oder nach Leipzig. Das hängt davon ab, um welches Produkt es sich handelt.

Wir versuchen in einem vom Land geförderten Forschungsprojekt eine Maschine herzustellen, die das kann, aber das dauert noch eine Weile, weil das ein komplizierter Prozess ist.

Abbildung, wie eine Car-T-Zelltherapie abläuft

Man baut einen Virus ein, der sich aber nicht vermehren kann. Ihm fehlen die Stücke, die er für die Vermehrung braucht. Und dann habe ich eine Zelle von mir, die an der Oberfläche ein Molekül hat, das einem Antikörper ähnlich sieht, aber eben nicht wie ein Antikörper herumschwimmt, sondern auf der Zelle steckt und die Zelle aktiviert, wenn sie an das Zielmolekül bindet.

Hier ist es CD19, ist ähnlich wie bei CD20 ein B-Zell-spezifisches Protein. Und wenn dieses CD19 bindende Protein eine CD19-positive Zelle sieht, wird die Zelle dahinter wild und schießt Pfeile und tötet sie.

Abbildung einer CD19 Zelle

Ist CD19-positiv schlecht?

CD19-positiv ist auf B-Zellen. Deswegen schießen die Zellen blöderweise auch die gesunden B-Zellen weg. Das macht gewisse Probleme, aber die kann man lösen. Es gibt verschiedene Tötungsmechanismen, aber ein Teil sind wirklich kleine Pfeile, durch die in der Nachbarzelle ein Loch entsteht, und wenn da ein Loch ist, ist sie tot. Das hält die Zelle nicht aus.

Das Besondere an diesem Arzneimittel ist: Es ist ein lebendes Arzneimittel, das heißt es vermehrt sich im Körper. Und das ist übrigens auch das Problem.

Ist das gut oder schlecht?

Es ist prinzipiell gut, weil es einen dauernden Immunschutz verursacht. Aber wenn die Vermehrung sehr rasch ist, ist es wieder nicht so gut, weil es wüste Entzündungsreaktionen hervorruft. Und im Gegensatz zu einer Infusion, die ich stoppen kann, lebt es weiter. Und daher ist diese Therapie nicht ganz ungefährlich und führt zu lebensbedrohenden Komplikationen bei ca. 5 bis 10% der Menschen.

Die Entwicklung geht aber weiter. Man entwickelt solche Produkte, bei denen keine große Zahl im Labor hergestellt wird, sondern eine kleine Zellzahl, die sich im Patienten vermehren lässt. Das funktioniert relativ gut, aber Tatsache ist, dass man auf diese Art und Weise zeigen konnte, dass man mehr als 50% der Menschen auch im Rückfall heilen kann. Und das ist ein sehr erfreuliches Ergebnis.

Und es ist eine Therapie, die eine Infusion darstellt. Man braucht vorher eine gewisse Chemotherapie-Dosis, dann gibt man die Infusion und wenn das friedlich abgeht, dann ist man zwei, drei Wochen im Krankenhaus und geht dann wieder heim.

Es gibt noch ein zweites Problem, das mit dem CD19 zusammenhängt. CD19 ist nicht nur auf B-Lymphozyten, sondern auch auf manchen Strukturen des Gehirns. Und daher gibt es Patienten, die als Nebenwirkung vorübergehende Verwirrtheitszustände haben und die man dann bremsen muss, indem man wieder versucht diese Zellen totzuschießen.

Aber es ist ein etabliertes Verfahren. Es ist zugelassen und es ist teuer. Eine solche Infusion kostet 200.000 €. Also Summen, die man ernst nehmen muss. Daher ist der Prozess, wer das tun darf und wie man eine Bewilligung bekommt, sehr standardisiert, funktioniert aber gut. Aber es müssen Zentren dafür extra qualifiziert sein und einen mehrstufigen Qualifikationsprozess durchlaufen. Den haben wir hinter uns, daher dürfen wir die Therapie durchführen.

Aber jedenfalls versucht der Gesetzgeber hier die Sicherheit dieser gefährlichen Therapie sicherzustellen, indem er die Anwender qualifiziert.

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