Das indolente Non-Hodgkin-Lymphom
Unter den indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen versteht man eine ganze Reihe unterschiedlicher Krankheiten. Welche genau damit gemeint sind, erklärt Herr Professor Aulitzky, Chefarzt der Onkologie und der Hämatologie des Robert-Bosch-Krankenhauses in diesem Video.
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Weitere InformationenWas sind indolente Lymphome?
Indolente Lymphome sind Lymphome, die sich durch einen zwar variablen, aber üblicherweise sehr langsamen Verlauf, das heißt eine langsame Tendenz zur Verschlechterung, auszeichnen.
Die meisten dieser Lymphome sind B-Zell-Lymphome. Man subsumiert in dieser Gruppe mehrere Erkrankungen, wie zum Beispiel die chronisch lymphatische Leukämie (CLL), den Morbus Waldenström, die Haarzell Leukämie, das follikuläre Lymphom, das Marginalzonen-Lymphom und noch eine Reihe anderer Erkrankungen. Auch wenn diese Einteilung indolenter Lymphome nicht in unseren pathologischen Kriterien auftaucht, ist sie für die Vorgehensweise wichtig, da die Einschätzung, dass der Verlauf nicht sehr rasch sein, in die Therapieplanung mit einfließt.
Was bedeutet indolent?
Indolent heißt eigentlich „kein Schmerz“, aber wir benutzen das Wort oftmals im Gegensatz zu aggressiv. In diesem Zusammenhang hier hat indolent mit Schmerzen nichts zu tun, sondern nur: Voraussichtlich wird man auch in Zukunft nicht bald Schmerzen bekommen. Es ist ein langsamer Verlauf zu erwarten.
Das bedeutet, dass die Manifestationen, die diese Lymphome machen, sich nicht rasch entwickeln werden. Um einen Menschen krank zu machen oder zu gefährden werden Jahre benötigt. Und das wird mit dieser Begrifflichkeit des „schmerzfreien“ Lymphoms ausgedrückt. Das ist eine nicht präzise Übersetzung aus dem Englischen.
Sind indolente Lymphome immer langsam wachsend oder gibt es auch welche mit aggressiven Tendenzen?
Die Verläufe sind bei den indolenten Lymphomen sehr variabel und unsere Fähigkeit, Ereignisse vorherzusehen ist grundsätzlich schlecht bei allen bösartigen Erkrankungen. Es gibt rasche Verläufe, aber es gibt keine Verläufe, bei denen man nicht eine gewisse Beobachtungszeit rechtfertigen kann, um die Entwicklung zu sehen. Wenn diese Lymphome sehr rasch verlaufen, muss man sich fragen, ob sie sich nicht in ein höher malignes Geschehen transformiert haben.
Sind indolente Lymphome heilbar?
Die indolenten Lymphome sind zum Teil heilbar, allerdings nur mit sehr aggressiven Vorgehensweisen wie zum Beispiel einer allogenen Stammzelltransplantation. Da diese aggressiven Therapieformen häufig mehr Risiken haben, zumindest in den ersten Jahren als die Erkrankung selbst, rechtfertigt sich die Anwendung dieser Therapie nicht oder erst nach längeren aggressiven Verläufen.
Oder wenn klar wird, dass die Bedrohlichkeit der Erkrankung so zugenommen hat, dass man ein Transplantationsrisiko rechtfertigen kann. Für jemanden, bei dem die Krankheit weiterhin sehr langsam fortschreitet, würde man eine chronische Therapie machen. Für die Patienten, die einen typischen Langzeitverlauf haben, lohnt sich die Heilung mit diesen Maßnahmen nicht, weil sie besser leben, wenn man eine Therapie findet, die ihnen einfach ein beschwerdefreies Leben mit der Erkrankung oder mit gut zurückgedrängter Erkrankung erlaubt.
Ist die Lebensqualität durch die Erkrankung und die Medikamente beeinträchtigt?
Während der Therapie kommen Nebenwirkungen vor, aber wenn man zum Beispiel bei einem dieser Lymphome, wie das follikuläre Lymphom, eine komplette Remission erreicht hat, haben die Menschen im Durchschnitt wieder fünf Jahre Ruhe und leben völlig normal. Bei anderen indolenten Lymphomen sind eher Dauertherapien notwendig und sinnvoll. Aber da wird man immer Wege wählen, die ein weitgehendes normales Leben ermöglichen.
Wie merkt man, dass man ein indolentes Lymphom hat?
Man merkt es oft nicht. Es ist ein Zufallsbefund beim Besuch des Arztes, weil sich z. B. ein abnormer Blutbefund zeigt. Es kann sein, dass man Knoten bemerkt. Manchmal beobachten die Leute eine gewisse Zeit und der Knoten wächst nicht und dann wartet man, bis er ein bisschen mehr wächst. Also das präsentierende Symptom hängt davon ab, welche Form der Erkrankung und welche Manifestationen die Erkrankung verursacht.
Bei den indolenten Lymphomen ist im Gegensatz zu vielen anderen bösartigen Erkrankungen die rechtzeitige und frühe Diagnose nicht von großer Bedeutung, weil man meistens eine Situation hat, bei der man auch noch ein bisschen beobachten könnte und weil es kein indolentes Lymphom gibt, das man nach heutigen Standards als erste Therapie operativ behandeln würde. Daher ist eine über die Zeit eintretende weitere Ausbreitung keine zusätzliche Gefährdung.
Aus welcher Struktur kommen diese Lymphome?
Alle malignen Lymphome sind entartete Lymphzellen und es gibt im Wesentlichen zwei Arten von Lymphzellen, die sogenannte T-Lymphozyten und die B-Lymphozyten. Die T-Lymphozyten haben die Aufgabe, zum einen böse Feinde zu erkennen und zum anderen danach zu regulieren, dass die Immunantwort mit allen beteiligten Zelltypen koordiniert abläuft. Zum zweiten haben sie die Aufgabe, Killerzellen zu entwickeln, die alles töten, was den Feind enthält oder was ihn an der Oberfläche zeigt.
Die erstgenannten sogenannten Helfer T- Lymphozyten sorgen auch dafür, dass die B-Zellen aktiviert werden. Die B-Zellen sind die Zellen, die Antikörper produzieren. Diese Antikörper spielen vor allen Dingen beim immunologischen Gedächtnis eine große Rolle und führen dazu, dass viele Infektionen bei der ersten Infektion schlimmer sind und sich bei nachfolgenden Infektionen nicht mehr so gravierend auswirken.
Die B-Lymphozyten, diese Antikörper produzierende Zellen, machen viel häufiger Lymphome als die T-Lymphozyten. Wenn man ehrlich ist, weiß man nicht genau, warum das so ist, aber die von uns besprochenen Lymphome sind alles B-lymphozytäre Lymphome und betreffen daher die Zellen, die normalerweise für die Entwicklung von Antikörper produzierenden Zellen entscheidend sind.
Deshalb spielen Antikörper, die entweder mehr oder weniger im Blut vorhanden sind als normalerweise eine Rolle im Rahmen der indolenten Lymphome. Antikörper-Abnormitäten können ein Symptom sein. Das häufigste Symptom ist ein Mangel an funktionierenden Antikörpern. Dieser Mangel führt dazu, dass Menschen leichter Infektionen bekommen, und wenn sie Infektionen bekommen, diese auch schwerwiegender verlaufen können. Wenn das zu schlimm ist, kann man diese Antikörper durch künstliche Produkte oder gereinigte Produkte von Blutspendern ersetzen und damit die defekte Produktion der Antikörper komplett kompensieren.
Neben zu wenigen Antikörpern kommt es auch vor, dass die indolenten Lymphome zu viele Antikörper produzieren. Dann produziert das betroffene Lymphom nur den Antikörper, für den es selbst zuständig ist. Das nennt man monoklonale Gammopathie. Das ist meistens ein nutzloser Antikörper, der vor nichts schützt. Und manchmal können diese Antikörper einen Teil der Beschwerden mitverursachen, die das indolente Lymphom bedingt.
Gibt es bekannte Ursachen, warum man ein indolentes Lymphom bekommt?
Die Hauptursache ist Zufall wie bei den meisten bösartigen Erkrankungen. Es gibt indolente Typen wie die chronisch lymphatische Leukämie, für die keinerlei Risikofaktoren bekannt sind.
Am anderen Ende der Kausalitäten gibt es Lymphome, die sich nur in Abhängigkeit einer bestimmten Umgebung entwickeln. So gibt es zum Beispiel Infektionserreger, die die Umgebung so stimulieren, dass sich ein Lymphom nur in dieser Umgebung entwickelt. Der Infektionserreger ist nicht die Ursache des Lymphoms, aber er bereitet quasi das Bett, in dem sich das Lymphom entwickelt. Ein Beispiel dafür sind die Marginalzonen-Lymphome des Magens. Diese entwickeln sich häufig nur dann, wenn der Helicobacter in der Gegend ist und wenn wir den Helicobacter antibiotisch ausrotten, kann man diese Art von Lymphomen beim überwiegenden Teil der Patienten wieder zum Verschwinden bringen.
Es gibt komplexere Kausalitäten und bei vielen der Lymphome wissen wir nicht genau, ob solche Stimulationsprozesse durch Antigene eine Rolle spielen. Wahrscheinlich schon. Aber wir verstehen noch nicht, welche Zielstrukturen die Stimulation durchführen. Bei der chronisch lymphatischen Leukämie vermutet man, dass das eigene Zielstrukturen sind, also nicht fremde. Daher kann man sie auch nicht ausrotten und damit die CLL behandeln.